Durst 03/2021
20 People & Unterhaltung Leidet die gesamte Lebensmittelindustrie unter einem Fachkräftemangel? Ja, zu Lebensmitteltechnologen EFZ lassen sich pro Jahr höchstens 100 junge Leute ausbil den. Das Hauptproblem ist, dass der Beruf zu wenig bekannt ist. Ich stelle fest, dass man Le bensmittel zwar konsumiert, sich aber kaum dafür interessiert, wie sie hergestellt werden. Welche Perspektiven haben junge Brauer? Sehr gute, denn seit der Beruf des Bierbrauers im Jahre 2000 in die Ausbildung zum Lebens mitteltechnologen EFZ integriert worden ist, wissen sie über sämtliche Aspekte der Lebens mittelproduktion Bescheid und haben sich auch Grundkenntnisse in anderen Fachrichtungen wie Backwaren, Schokolade und Convenience- Produkte erworben. Das erweitert die Anstel lungsmöglichkeiten ebenso wie die vielen Wei terbildungen, die angeboten werden. Sie kümmern sich seit 25 Jahren intensiv um Auszubildende… … und das war für mich immer sehr motivie rend und auch inspirierend. Es ist interessant mitzuerleben, wie sich die jungen Leute wäh rend der Ausbildungszeit entwickeln. Sie legen ihre Schüchternheit ab und entwickeln eine grosse Leidenschaft. Sie erwerben nicht nur Fach-, sondern auch Sozialkompetenzen wie Teamarbeit und Verantwortungsbewusstsein. Sie haben zu Recht einen grossen Berufsstolz, denn als Lebensmitteltechnologen leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung. Zeitpunkt für eine Ausbildung entscheiden müssen, zu dem sie noch keinen Bezug zum Produkt Bier haben. Deshalb erhalten wir vor allem von Jugendlichen Anfragen, die bereits zwischen 18 und 20 Jahre alt sind. In diesem Alter haben sie sich bereits mit Bier auseinan dergesetzt und es natürlich auch konsumiert. Erschwerend hinzu kommt, dass eine Brauerei eine gewisse Grösse haben muss, um Lernende überhaupt ausbilden zu können. Aus all diesen Gründen wird es auch in Zukunft nicht einfacher, genügend geeignete Kandidaten zu finden. Auf ein Bier mit Stéphane Quellet Ist der Beruf des Bierbrauers vergleich- bar mit damals, als Sie vor rund vier Jahrzehnten in der Ausbildung waren? Kaum, denn dieser Beruf hat sich wie viele an dere stark verändert. Früher sind die Brauer vor allem mit manuellen Tätigkeiten wie dem Transport und dem Mischen von Rohstoffen oder der Handreinigung von Gärbottichen und Lagertanks beschäftigt gewesen. Heute haben sie als Operators die Verantwortung für die Bedienung und Überwachung von automati sierten Prozessen. Neben den technischen und technologischen Kompetenzen sind unter vie lem anderem auch EDV-Kenntnisse gefragt. Die intellektuellen Ansprüche sind gestiegen, körperlich ist dieser Beruf heute aber nicht mehr so anstrengend wie früher. Würden Sie sich trotzdemwieder für eine Brauerlehre entscheiden? Ja, ich würde diese Ausbildung auf jeden Fall wieder wählen, wobei das Berufsbild heute «Lebensmitteltechnologe EFZ mit Schwer punkt Bier» heisst. Trotz der vielen Verän derungen ist dieser Beruf vielseitig geblieben. Es geht um die Rohstoffe und deren Analyse, um Technologie, Qualitätskontrolle, Informatik und vieles mehr. Trotz all dem verliert man nie den Bezug zum Produkt, dem Bier. Am Ende meines Berufslebens darf ich sagen, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Warum ist trotzdem seit Jahren ein Fachkräftemangel zu beklagen? Weil sich wie der Beruf auch die Jugendlichen verändert haben. Unregelmässige Arbeitszei ten und ein Schichtbetrieb sind für die meisten unattraktiv, viele wollen sogar Teilzeit arbeiten. Hinzu kommt, dass sich die jungen Leute am Ende der obligatorischen Schulzeit zu einem «Brauer ist ein vielseitiger Beruf» Nach 35 Jahren bei Feldschlösschen ging Stéphane Quellet Ende Februar in Pension. Ein Vierteljahrhundert lang hat er sich intensiv um die Auszubildenden gekümmert. Grund genug für DURST, sich mit dem Romand über den Berufsstolz der jungen Brauer, die Gründe des Fachkräftemangels und die grossen Veränderungen in diesem Beruf zu unterhalten. «Junge Brauer haben zu Recht einen grossen Berufsstolz.» Stéphane Quellet Der Neuenburger hat nach der Matura eine Brauerlehre in Lausanne absolviert und sich inMünchen zumDiplombraumeister ausbilden lassen. Vomdamaligen Unternehmen «Birra Lugano» wechsel te Stéphane Quellet 1992 zur Brauerei Gurten in Bern und vier Jahre später an den Feldschlösschen- Hauptsitz nach Rheinfelden. Dort war er in den letzten zehn Jahren als Leiter Produktionsentwick lung auch für die Aus- und Weiterbildung zuständig. Zudem leitete er während vieler Jahre die Berufsausbildungskommission des Schweizer Brauerei-Verbandes. Ende Februar ging Stéphane Quellet nach 35 Dienstjahren bei Feldschlösschen in Pension. Das Unternehmen Feldschlösschen bedankt sich für seinen Einsatz und wünscht ihm für den neuen Lebensabschnitt alles Gute. S T É PH A NE QUE L L E T
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